„Testet alles, und das Schöne behaltet.“
Thessalonicher 5,21
Liebe Geschwister, liebe Freunde der Gemeinden in Schweinfurt und in Würzburg,
vermutlich kennt Ihr die Jahreslosung für 2025 in einer etwas anderen Übersetzung:
Prüfet alles, und das Gute behaltet. Das geht auch.
Prüfet alles, und das, was weise ist, das haltet fest. Auch so könnte man übersetzen. Ich finde, es macht schon einen kleinen Unterschied, ob wir das Gute behalten sollen oder das Schöne.
„Prüfet alles, und das Gute behaltet,“ das klingt nach einer moralischen Einschätzung. Esse ich Fleisch oder Gemüse? Gemüse ist besser, also esse ich Gemüse. Manche machen das ja auch bei der Partnerwahl so. Da schauen sich die Menschen bei Tinder Bilder von anderen, und dann wischen sie nach rechts oder nach links. Sie prüfen alle Menschen uns sagen dann: Den will ich, der ist am schönsten. Prüfet alles, und das Schöne haltet fest.
Paulus und Tinder? Geht das zusammen? Offenbar schon irgendwie. In jedem Fall ist der Gedanke, den Paulus da im 1. Brief an die Gemeinde in Thessalonich formuliert, ein sehr moderner Gedanke.
Es ist nicht schon immer gleich von Anfang an klar, was richtig oder was schön ist. Neue Gedanken, neue Ideen, neue Veranstaltungen sollten wir uns erst mal genau anschauen, bevor wir sie verwerfen, weil da ja bei uns schon immer anders war. Paulus meint nicht: Das Alte behaltet, sondern das Gute, das Schöne! Er meint genauso wenig: Das Neue behaltet, denn Neues ist immer gut! Nein: „Prüfet alles, und das Gute, das Schöne behaltet.“
Viele Menschen haben gute und neue Gedanken. Können wir sie offen diskutieren, oder wissen wir immer schon im Voraus, was wir wollen?
Liebe Freunde, ich finde, wir sind es uns schuldig, dass wir uns gegenseitig so respektieren, dass wir die Gedanken und Ideen erst mal prüfen, bevor wir sie verwerfen oder festhalten.
Das gilt im Übrigen auch für den Veränderungsprozess, den unsere Kirche im Moment erlebt. Wer etwas Neues nicht will, der will sich ja womöglich gar nicht von Vornherein gegen alles Neue wenden, der oder die hat ja vielleicht auch einfach schon geprüft, und dann verworfen. Umgekehrt ist es ganz sicher genauso. Wer Veränderung will, der oder die will vielleicht gar nicht Veränderung auf Teufel komme raus, der oder die hat ja vielleicht geprüft, und sich dann eine Meinung gebildet.
Zwei Sätze will ich uns zum Nachdenken geben.
- Es muss sich vieles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist.
- Traditionen sind wie Laternen. Sie weisen uns den Weg, aber nur Betrunkene halten sich daran fest.
In diesem Sinne, lasst uns nüchtern und fröhlich miteinander diskutieren!
Siggi Reissing